In den Alltag der Vergangenheit eintauchen.

Um authentische historische Romane zu schreiben, reicht es nicht, nur die nackten Fakten und wahren Persönlichkeiten aus der Vergangenheit akribisch zu recherchieren. Viel wichtiger ist es für mich, noch mehr über den Alltag den damaligen Epochen zu erfahren, die Lebenswelt der Menschen glaubhaft zu schildern und damit meine Leser auf eine imaginäre Reise in diese alten Zeiten mitzunehmen. Das Mittsommernachtfest ist ein sehr bekanntes heidnisches Sommersonnenwendfest, das uns an Skandinavien oder Stonehenge denken lässt. Aber warum? Und was hat dieses Ritual mit meinem Roman DIE BLUTCHRONIK zu tun?

Tiefe Wurzeln im Boden der Vergangenheit.

Es waren nicht die Wikinger, die diese Rituale um die Sonnenwende eingeführt und gefeiert haben. Die Wurzeln dieses heidnischen Brauchs liegen viel tiefer in der Geschichte der Menschheit. Die Spuren führen über die Steinzeit bis hin zu den Kelten, die zwischen dem 8. und dem1. Jahrhundert v. Chr. in West- und Mitteleuropa lebten, und ihrer Kultur. Die Kelten nannten das Fest um den Beginn des Sommers Oiche Fheile Eoghain (in Irland) oder Alban Hevin. Bei der Sommersonnenwende ging es nicht allein um ein astronomisches Ereignis, den Tag mit der längsten Sonnenstrahlung des Jahres: die Feierlichkeit war auch ein Anlass für Feste zu Ehren der Fruchtbarkeit.

Man begann die Sommersonnenwendfeier mit zahlreichen Ritualen. Traditionell entzündeten die Kelten große Feuer an wichtigen spirituellen Orten. Um diese Flammen herum tanzten die Menschen, um die Verbundenheit mit der Natur zu feiern. Diese Tänze um das Freudenfeuer waren ein wichtiger Teil des Festes. Verliebte Paare sprangen mutig Hand in Hand durch die Flammen und versicherten sich auf diese Weise ihre Liebe und Zugehörigkeit. Kleine Kinder warf man zwischen den Eltern über die Freudenfeuer hinweg, um sie für das kommende Jahr zu stärken und um ihre Gesundheit zu bitten. Am Morgen danach wurde der Tau von den Wiesen gesammelt, da ihm heilende Kräfte nachgesagt wurden.

Der Weg des Festes durch die Kulturen bis heute.

Diese Rituale wurden von anderen Völkern und Kulturen übernommen und über weitere Jahrhunderte praktiziert. Während der Christianisierung im Frühmittelalter reisten die Missionare durch die heidnischen europäischen Länder, tauften die Einheimischen und brachten ihnen die christliche Lehre nahe. Die katholische Kirche machte aus dem heidnischen Sommersonnenwendfest das Fest zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers. Deswegen hieß das Johannisfest im Mittelalter auch Sommerweihnachten. Gefeiert wurde es am 24. Juni, genau ein halbes Jahr vor Weihnachten, und wurde, ähnlich wie die Christmette am Heiligen Abend, mit einer Messe um Mitternacht begangen. Bis heute werden diese heidnischen Feste und Rituale um die Sommersonnenwende gefeiert und praktiziert.

Das Mittsommernachtfest in Transsylvanien.

Spuren der keltischen Kultur im Nordwesten von Transsylvanien lassen sich schon circa im 4. Jahrhundert vor Christus nachweisen. Es war die Zeit der großen Wanderung der Kelten Richtung Osten, die sie bis nach Anatolien geführt hat. In Transsylvanien sind sie auf die Daker, die Ureinwohner Rumäniens, gestoßen. Doch gab es während dieser Völkerwanderung nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen mit den Einheimischen. Im Gegenteil. Die Invasoren wurden von der einheimischen Bevölkerung assimiliert, was zu einer sozialen und kulturellen Verschmelzung zwischen den Kelten und den Dakern geführt hat. Beweise dafür liefern die unzähligen archäologischen Ausgrabungen aus Transsylvanien, die ein Bild des Zusammenlebens dieser Völker im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus bezeugen. In den Haushalten entdeckte man eine Mischung aus keltischer und dakischer Keramik, während mehrere keltische Gräber Tongefäße von dakischem Ursprung enthielten. In den keltischen Begräbnisstätten aus Apahida, Ciumesti, Curtuiuseni, Ghiris-Tarian, Aradu-Nou in Transsylvanien wurden Kampfwagen, Schwerte, Speere, Dolche sowie auch Helme und Schilde entdeckt, die der Machart den Kelten zuzuschreiben sind. Sehr berühmt ist der Helm von Ciumesti mit dem bronzenen Raben. Diese Artefakte sind in den Geschichtsmuseen in Bukarest sowie auch in Baia Mare und Satu Marein in Rumänien zu sehen.

Sarmisegetuza Regia  – „Stonehenge aus Transsylvanien“

Aber die Kelten haben nicht nur wirtschaftlich das Leben der Daker beeinflusst, sondern mit ihren heidnischen Ritualen auch das soziale Verhalten der Einheimischen. Bis heute feiert man in Rumänien besonders in Transsylvanien die Mittsommernacht, das Fest, das unter dem Namen Die Nacht der Sânziene bekannt ist. Und genau darüber habe ich in meinem Roman DIE BLUTCHRONIK geschrieben. Es ist eine meiner Lieblingsszenen. Warum? Lesen Sie die Ausschnitte aus diesem Kapitel und tauchen Sie in die europäische Geschichte des 15. Jahrhunderts ein. Keine Angst, es wird nicht viel von der inhaltlichen Handlung verraten, sondern nur die magische Stimmung des Mittsommernachtfestes beschrieben.

Viel Spaß beim Lesen!

„Die Sonne war noch bis zur Hälfte über den Baumkronen zu sehen, als Roxolan die Siedlung erreichte. Auf dem Hauptweg begegnete er keinem Menschen, aber der Klang der Fiedel sowie das Schlagen einer Trommel wurden lauter. Rauchschwaden stiegen am Horizont empor. Kurz danach erblickte er die Dorfbewohner auf einer Wiese am Dorfrand, wo sie um ein Feuer eine Hora tanzten. Er band sein Pferd an einen Baum und näherte sich den Einheimischen. Sein Herz schlug im Takt der Trommel. Wie hatte er das nur vergessen können? Es war die Nacht der Sânziene, das Fest der Sommersonnenwende. Junge Frauen in weißen Gewändern trugen auf ihren Häuptern geflochtene Kränze aus den gelblichen Blüten des Labkrauts; aus der sich drehenden Hora löste sich ab und zu ein Junge, der unter dem Jubel der anderen über die Flammen des Feuers sprang …“

 „… Lächelnd nahm sie ihn an die Hand und führte ihn zu der die Reihe von Dörflern, die im Licht einiger Fackeln singend und tanzend ins Dorf zurückkehrten. Sie blieben vor dem ersten Haus stehen. Die Hausbesitzer, ein junges Paar, schritten nach vorne, nahmen die gelben Blumenkronen von ihren Köpfen und warfen sie nach einem kurzen Moment des Innehaltens über das Hausdach. Beide Kränze blieben dort hängen, ein Zeichen dafür, dass die Wünsche des Ehepaars im Laufe des Jahres in Erfüllung gehen würden. Danach teilten sich die Menschen in Gruppen und gingen zu ihren eigenen Heimen, um dort das gleiche Ritual zu vollziehen…“

 „… Es war die Nacht, in der die Natur erwachte, die Nacht der Liebe und der uralten heidnischen Rituale. Roxolan betrat den Weg neben dem Haus, der auf den bewaldete Hügel hinaufführte. Vom Bach her hörte er, wie Männer und Frauen frohlockend badeten. Vom frischen Wasser gereinigt, würden sich die Pärchen danach einen Platz im Wald suchen, wo sie sich einander hingaben. Mit jedem weiteren Schritt verstummten die Rufe und das Luststöhnen der Verliebten.

Unterwegs achtete Rox darauf, die Jungfern weitläufig zu umgehen. Diese hatten sich auf eine Lichtung begeben, um dort weitab von jedem männlichen Blick ihren Tanz als Feen des Waldes aufzuführen. Sie würden bis in den Morgen hinein im Kreis um ein Feuer herumtanzen und singen. In ihren Liedern priesen sie den Mond, den Himmelskörper, der den gleichen monatlichen Zyklus besaß wie die Frauen. Nach dem Sonnenaufgang würden sie sich nackt auf der Wiese rollen und im frischen Tau baden. Der Aberglaube besagte, wenn ein Mann sie dabei beobachtete, würde er von den wahren Wald-Feen geblendet werden…“

 „… gegenüber, auf dem anderen Hügel, warfen einige junge, unverheiratete Männer flammende Strohballen, die wie ein Strom aus Lichtern ins Tal rollten. Andere schleuderten an ein Seil gebundene, angezündete Reisigbündel. Durch das schnelle Rotieren der Bündel bildeten die Flammen Feuerkreise, die die Sonne und den Mond symbolisierten …“

Hier ist aber diese Reise noch nicht vorbei. Erleben Sie weiterhin, egal wie, nicht nur die Mittsommernacht, sondern auch jeden Sommertag sowie auch jeden wunderbaren einzelnen Moment des Lebens …

Herzlichst,

Ihre Liliana Le Hingrat

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